In Zeiten von Streamingdiensten und stummgeschalteten Autoplay-Videos in Social-Media-Feeds sind Videos ohne Untertitel weder denk- noch vermarktbar. Doch wer meint, Untertitel seien “einfach Text” am unteren Bildschirmrand, der sich schnell mal mittels automatischer Spracherkennung generieren lässt, hat weit gefehlt und erregt statt Aufmerksamkeit höchstens Ablenkung. Erfahren Sie, was es braucht, damit Untertitel gut lesbar sind und weshalb das Untertiteln ein sprachlicher und technischer Balanceakt ist.
Untertitel – das Fundament der Videoverständigung
Auf dem Weg zur Arbeit im Zug noch den letzten Teil des E-Learning-Moduls absolvieren, beim Kochen Jamie Olivers Kochinstruktionen auf dem Tablet neben dem Herd und mit dröhnender Dunstabzugshaube folgen, sich beim Warten auf die neue Geschäftskundin mittels Imagefilme einen ersten Eindruck über das Unternehmen verschaffen oder die Lieblingsserie im Original auf Spanisch schauen, obwohl das eigene Spanisch seit dem Erasmus-Austauschsemester vor 15 Jahren nur noch ein passives Dasein fristet – Videos sind allgegenwärtig und Untertitel unerlässlich, damit Videoinhalte tatsächlich auch verstanden werden. Die Erstellung von Untertiteln erfordert zunächst einmal perfekte Kenntnisse der Ausgangssprache wie auch der Zielsprache. Darüber hinaus müssen beim Untertiteln diverse formale Aspekte mitberücksichtigt werden, die die Lesbarkeit von Untertiteln massgeblich beeinflussen.
So viel Text wie nötig, so wenig wie möglich
Untertitel sollen das Gesprochene adäquat und akkurat wiedergeben, in einer anderen Sprache als der Originalsprache des Videos oder aber in derselben Sprache. Dabei sollten Untertitel tonsynchron zum Gesprochenen erscheinen und so lange eingeblendet werden, dass sie auch tatsächlich gelesen werden können. Das Setzen von Untertiteln bzw. das sogenannte Spotting erfolgt mithilfe einer Untertitelungssoftware, die es ermöglicht, Ein- und Ausstieg eines Untertitels bildgenau zu setzen. Je nach Tempo des Gesprochenen bedeutet das, dass der Inhalt stark gekürzt und umformuliert werden muss, dass Wiederholungen und Füllwörter eliminiert und Zeitformen angepasst werden müssen. Gerade beim Kürzen von Texten ist Fingerspitzengefühl gefragt, damit Informationen oder Sprachstil nicht untergehen. Schliesslich soll beim Zielpublikum nie der Eindruck entstehen, dass ihm etwas vorenthalten oder etwas verfälscht wurde. Zudem gilt es auch, visuelle und kontextuelle Elemente sowie Schnitte zu berücksichtigen, denn Szenenwechsel bringen zusätzliche Bewegung ins Bild und erschweren das Lesen von Untertiteln. Diese teilweise widersprüchlichen Aspekte gilt es beim Untertiteln ständig gegeneinander abzuwägen und den unterschiedlichen Ansprüchen so gerecht zu werden, dass Aussage, Sinn und Tonalität des Ausgangstextes nicht verloren gehen. Gute Untertitel sind jene, die “unbemerkt” bleiben – und das zu vollbringen, ist ein wahrer Balanceakt.
Die Syntax gibt den Rhythmus an
Auch die Art und Weise, wie der Text in den Untertiteln segmentiert wird, beeinflusst massgeblich, ob Untertitel gut lesbar sind, und damit auch, ob sie verständlich sind oder nicht. Für eine gute Lesbarkeit von Untertiteln ist es also entscheidend, wo ein Zeilenumbruch gesetzt wird, über wie viele Untertitel sich ein Satz erstreckt und ob in einem zweizeiligen Untertitel die obere Textzeile kürzer oder länger ist als die untere. Grundsätzlich sollte der Text in Untertiteln gemäss Sinneinheiten segmentiert werden. Zwischen zusammengehörenden Satzgliedern, Phrasen oder Attributen sollte daher möglichst kein Zeilenumbruch gesetzt werden. Gut segmentierte Untertitel unterstützen den Lesefluss und erleichtern das Lesen und Verstehen erheblich.
Die Überwindung des Mündlichen
Beim Untertiteln geht es auch darum, gesprochene Sprache in Schriftsprache zu übertragen. Für die Schriftsprache existieren Regeln, und wie bei allen schriftlichen Texten erwarten die Leser:innen, dass diese orthografisch, grammatikalisch und syntaktisch korrekt sind. Mit schriftlicher Korrektheit wird Professionalität verbunden – ein schriftlicher Text verzeiht also keine Fehler, das gilt auch für Untertitel. Mündliche Sprache ist oft spontan und unreflektiert, sie enthält viele Füllwörter und Redundanzen. Darüber hinaus ist mündliche Sprache syntaktisch und semantisch nicht immer korrekt. Unser Gehirn korrigiert solche Dinge beim Zuhören automatisch und sie bleiben daher oft unbemerkt und fürs Verständnis des gesprochenen Textes meistens folgenlos. Doch die Rezeption und Verarbeitung schriftlicher Texte funktioniert anders, weshalb das Gesprochene nicht einfach wortwörtlich wiedergegeben werden kann. Vielmehr müssen überflüssige Redundanzen, Relativsätze mit falschem Bezug sowie lange Schachtelsätze in den Untertiteln eliminiert werden, damit unser Gehirn die Information leichter aufnehmen und verarbeiten kann.
Untertiteln ist also ein komplexer Prozess, bei dem viele sprachliche und technische Aspekte berücksichtigt werden müssen. Wenn Sie wollen, dass Ihre Videos auch ohne Ton oder in einer anderen Sprache verstanden werden, sorgen Sie für lesbare Untertitel.